Rendite & Resilienz – Private Equity in Zeiten der Unsicherheit
Eigentlich verläuft in der Private-Equity-Branche Wertschöpfung nach Drehbuch. Was aber, wenn wirtschaftspolitische Irrationalität die Finanzmärkte durcheinanderwirbelt? Das Ende von Nullzinsen und steigender Multiples stellt manche Manager in der Private-Equity-Branche vor Aufgaben, die sie so nochnie erlebt haben. Dabei sind Krisen der eigentliche Normalzustand. Man muss allerdings damit umgehen können. Der A&M-Guide für erfolgreiche Investments in der VUCA-Welt.
Als Donald Trump im April seine sogenannten reziproken Zölle präsentierte, die fast alle US-Importe betreffen, war die Finanzwelt kurz danach eine andere. Sie erlebte einen historischen Markteinbruch: Innerhalb weniger Stunden fiel der Dow Jones Industrial um fast 1.300 Punkte, der S&P 500 sank um 3,3 Prozent, der Nasdaq gar um 4,8 Prozent [1]. Nach einer Berechnung von Bloomberg wurden weltweit innerhalb von drei Handelstagen insgesamt rund 10 Billionen Dollar an Marktwert ausgelöscht [2] – das entspricht beinahe 10 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts [3].
Zölle sind der heftigste Schmerzpunkt, die größte Sorge, die Investoren im Private-Equity-Bereich empfinden. Das zeigt unser Value Creation Report, den wir bei Alvarez & Marsal gerade veröffentlicht haben. Und zudem belegen diese Ereignisse dramatisch eine tiefgreifende Wahrheit, mit der sich die Finanzmärkte nur widerwillig auseinandersetzen: Die Epoche der „kalkulierbaren“ Stabilität ist vorbei. Für Private-Equity-Investoren, die in Zyklen von vier bis acht Jahren planen und denken, wurde damit endgültig klar, dass Unsicherheit und Volatilität nicht mehr bloße Begleiterscheinungen, sondern ein strukturelles Merkmal der Märkte sind.
Stabilität – eine goldene Anomalie
Im zurückliegenden Jahrzehnt schien ein „El Dorado“ für Unternehmensfinanzierung Wirklichkeit geworden zu sein. Geld war billig, Wachstum allgegenwärtig, und der Glaube an Fortschritt – technologisch wie gesellschaftlich – fast religiös. Private Equity profitierte überproportional: Von 2010 bis 2020 stieg das globale Dealvolumen von rund 150 Mrd. auf über 800 Mrd. US-Dolllar [4]. Das verfügbare, aber noch nicht investierte Kapital („Dry Powder“) erreichte 2023 einen Rekordwert von 2,62 Billionen US-Dollar [5]. Und weil Fremdkapital beinahe gratis war, wurde Hebelwirkung zur Wachstumsstrategie.
Dabei geriet aus dem Blick, dass Stabilität nicht der Normalzustand kapitalistischer Systeme ist, sondern eine seltene Phase – meist erkauft mit politischer Nachgiebigkeit und geldpolitischem Dauerfeuer, geprägt durch Zentralbanken, die bereitwillig Liquidität bereitstellten, und politischen Konsens über offene Märkte. Spätestens seit Beginn der aktuellen wirtschafts- und geopolitischen Dynamiken ist auch die PE-Branche in der Realität der VUCA-Welt angekommen: geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Die Weltwirtschaft befindet sich nicht in einer vorübergehenden Krise, sie kehrt zurück zur Normalität – und die ist instabil. Krisen gab es schon immer. Sie gehören zum Leben.
Vom Financial Engineering zur operativen Realität
Die traditionelle Formel des Private Equity – Unternehmen kaufen, mit günstigem Fremdkapital hebeln, das existierende Management handeln lassen und anschließend mit deutlichen höherem Equity Value verkaufen – stieß auf ihre Grenzen. Historisch günstige Kreditbedingungen und ständig steigende Multiples machten dieses Modell lange Zeit attraktiv. Doch mittlerweile sind die Kosten für Fremdkapital in den USA von 0,25 Prozent auf zwischenzeitlich 5,5 Prozent gestiegen. Auf das höchste Niveau seit 22 Jahren [6].
Hinzu kommt, dass Unternehmensbewertungen im Durchschnitt eher fallen: So sank mit Ausnahme eines Hochs im vergangenen Jahr der durchschnittliche EBITDA-Multiple bei Leveraged Buyouts von 13,95 im Jahr 2022 auf aktuell 12,42 [7]. Für Private Equity bedeutet dies, dass reinen Financial Engineering als Strategie nicht länger ausreicht, um angemessene Renditen zu erzielen. Stattdessen ist wieder tiefgehendes operatives Engagement und fundierte Branchenexpertise gefragt. Es benötigt neben anderen Fokusthemen Antworten auf die Fragen: Wie krisenfest ist das Geschäftsmodell wirklich? Wie unabhängig ist es von politischen, regulatorischen oder ökologischen Schocks?
Der neue Kompass: Resilienz und Operatives Engagement
Aus diesem Paradigmenwechsel ergibt sich für Private-Equity-Investoren eine angepasste Strategie, die sich letztlich wie ein Playbook lesen lässt.
- Managementqualität als Erfolgsfaktor
Investoren müssen ihre Management-Teams sorgfältiger denn je auswählen und prüfen, ob die richtigen Leute an der richtigen Stelle sitzen. Die entscheidenden Kriterien sind nun operative Erfahrung, Krisenkompetenz und schnelle Anpassungsfähigkeit. - Szenarien statt Prognosen
Eine detaillierte Szenarienanalyse ist unerlässlich, um flexibel auf geopolitische Spannungen, regulatorische Veränderungen oder Konjunktureinbrüche reagieren zu können. - Vorsichtigere Kapitalstrukturierung
Die Zeit maximaler Hebelfinanzierungen ist vorüber. Realistischere, robustere Finanzierungsstrukturen mit ausreichendem Eigenkapitalpuffer sind gefragt. - Operative Wertschöpfung
Die Schaffung operativer Werte – durch Restrukturierung, Optimierung der Lieferketten oder Verbesserung der Effizienz – wird zu einem noch zentraleren Element erfolgreicher Private-Equity-Strategien. - Angepasste Renditeerwartungen
Die hohen Renditeerwartungen der Vergangenheit weichen einem nüchternen Realismus: 12 bis 15 Prozent jährlicher Return werden zunehmend als attraktiv betrachtet, verglichen mit früheren, oft aber auch nicht erreichten Zielen von über 20 Prozent
Strategische Partner statt bloßer Investoren
Die Strategie von Private Equity muss sich somit anpassen: Wert entsteht heute nicht mehr durch Bilanzkosmetik, sondern durch Substanz. Fonds, die operative Exzellenz verinnerlicht haben oder darauf zurückgreifen können, sind im Vorteil. Es geht um Restrukturierungskompetenz, Supply-Chain-Know-how, Digitalisierung, ESG-Fähigkeit. Die klassische Rolle des stillen Kapitalgebers wandelt sich zum aktiven Mitgestalter. 70 Prozent der institutionellen Investoren erwarten laut Preqin operative Value-Creation-Pläne bereits vor dem Dealabschluss. In diesem neuen Kontext gewinnen spezialisierte Beratungsunternehmen wie Alvarez & Marsal, die nicht nur beraten, sondern auch praktisch umsetzen, entscheidend an Bedeutung. Private Equity wird dadurch operativer, substantieller und letztlich erfolgreicher.
Die Renaissance von Erfahrung und Realismus
In der neuen Realität zählt, wer Krisen kennt. Viele jüngere Investmentprofis haben ihr gesamtes kurzes Berufsleben in einer Nullzinswelt verbracht. Für sie ist das aktuelle Umfeld eine noch nicht erlebte Herausforderung. Erfahrene Manager, die Finanzkrisen, Währungsumbrüche und politische Zyklen erlebt haben, werden zur wertvollen Ressource. Nicht als Traditionalisten, sondern als Realisten. Und als Pragmatiker im Sturm.
Insgesamt verschieben sich die Prioritäten in der Branche weg von der aggressiven Wachstumsmaximierung hin zu nachhaltiger, realistischer Wertschöpfung durch operative Verbesserungen. Wer heute investiert, agiert nicht mehr rein aus Hoffnung auf rasche Gewinne durch Hebelwirkung, sondern mit einem langfristigen strategischen Ansatz und der Einsicht, dass immer noch hohe, aber im Vergleich zu den letzten 15 Jahren reduzierte Renditen besser sind als riskante Wetten. Selbstverständlich bleibt Wachstum ein Ziel, aber nicht mehr um jeden Preis. Renditeziele von 20 bis 25 Prozent wirken aus der Zeit gefallen. Cambridge Associates sehen die Zielrenditen führender Fonds inzwischen eher bei 12 bis 15 Prozent – das klingt realistisch, konservativ, nachhaltig. Und vielleicht gesünder.
Substanz schlägt Storytelling
Private Equity denkt in Zeiträumen von mehreren Jahren, dehalb verlangt die Epoche der extremen Volatilität von PE-Investoren, ihre Strategien neu auszurichten. Sie müssen die Realität annehmen, Unsicherheit nicht als Risiko, sondern als Betriebsbedingung definieren und operative Exzellenz vor kurzfristigen Profit stellen. So werden Investments auch in schwierigen Zeiten erfolgreich.
Private Equity ist eine etablierte Assetklasse und wird nicht verschwinden – es wird reifer, robuster, ehrlicher. Fonds, die heute erfolgreich sein wollen, brauchen keine neuen Buzzwords, sondern alte Tugenden: operative Tiefe, nüchterne Analytik, strukturellen Mut und letztlich zurück zu Erfahrung bei den handelnden Investmentprofis. Das Narrativ ändert sich: vom Hero Investor zum Krisenarchitekten. Tatsächlich ist Investment auch Handwerk. Nicht mehr Getriebenheit zählt, sondern Haltung. Und vielleicht ist genau das die eigentliche Rendite: das Vertrauen, das daraus entsteht.