March 23, 2021

Der präventive Restrukturierungsrahmen (StaRUG) – was bedeutet die neue Gesetzeslage für Unternehmen in Deutschland?

Anfang 2021 ist das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) und damit auch das lange erwartete Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) in Kraft getreten. Mit dem neuen Gesetz kann das Management Unternehmenskrisen frühzeitiger und vorausschauender angehen. Allerdings wurden zwei wichtige Aspekte der Gesetzesvorlage in letzter Sekunde geändert:

Erstens wurde die Möglichkeit zur Kündigung bestimmter Verträge durch das Schuldnerunternehmen gestrichen. Gerade die Beendigung von sehr nachteiligen Dauerschuldverhältnissen wie zum Beispiel überteuerten und langlaufenden Mietverträgen ist oftmals wichtiger Bestandteil einer operativen Sanierung. Durch die Nichtberücksichtigung dieser Gestaltungsmöglichkeit im neuen Gesetz kann dies weiterhin nur einvernehmlich mit allen Vertragspartnern oder im Rahmen eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens erfolgen. Der Eingriff in Forderungen von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis war bereits im Regierungsentwurf ausgeschlossen. Insofern bietet das StaRUG keine Werkzeuge für die Umsetzung struktureller Umbaumaßnahmen wie einen Personalabbau oder die Schließung unrentabler Standorte. Das neue Gesetz fokussiert sich damit auf die finanzielle Restrukturierung und lässt die meist für eine nachhaltige Krisenbewältigung zwingend erforderliche leistungswirtschaftliche Sanierung außen vor.

Zweitens ist in der finalen Version des StaRUG der „Shift of Fiduciary Duties“ im Zusammenhang mit der Wahrung von Gläubigerinteressen deutlich geändert worden. Grundsätzlich ist die Geschäftsleitung vor allen Dingen den Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen verpflichtet. Das ändert sich jedoch mit einer Verschärfung der Krisensituation, bei der auch Gläubigerinteressen in zunehmendem Maß berücksichtigt werden müssen. Die ursprüngliche Gesetzesvorlage hätte Vorstände und Geschäftsführer dazu verpflichtet, bereits mit dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Steuerung des Unternehmens primär am Interesse der Gläubiger auszurichten – und nur noch nachrangig an den Interessen der Gesellschafter und anderer Betroffener. Dieser Paradigmenwechsel ist in der verabschiedeten Fassung des StaRUG verworfen worden. Dadurch fällt es externen Stakeholdern wie etwa Anleihe- oder Schuldscheingläubigern schwerer, ihre Interessen bereits nach dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit durchzusetzen, da die Unternehmensführung weiterhin den Gesellschafterinteressen stärker verpflichtet ist. Im Umkehrschluss gestaltet es sich für die Unternehmensleitung schwieriger, gestaltungsfreudige Finanzinvestoren für einen Einstieg zu motivieren und so an „fresh money“ zu kommen; das Unternehmen bleibt damit stärker auf die Unterstützung durch bestehende Eigen- und Fremdkapitalgeber angewiesen.

Die beiden genannten Punkte wären für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Restrukturierungsstandorts Deutschland wichtig gewesen. Trotz dieser inhaltlichen Verwässerung auf der Zielgeraden liefert das neue Gesetz ein wirksames Instrumentarium, um Unternehmenskrisen proaktiv anzugehen und erfolgreich zu bewältigen. Erstmals können nun auf Basis von Mehrheitsentscheidungen einzelne Gläubiger überstimmt und Akkordstörer diszipliniert werden. Die erforderliche Zustimmungsquote liegt nur noch bei 75% und zwar lediglich bezüglich der Summenmehrheit und nicht der Kopfmehrheit. Dies hilft, die Blockadehaltung einzelner Gläubiger zu überwinden und erleichtert die Konsensfindung beim Eingriff in Kreditverträge, Sicherheitenpositionen oder Lieferantenverbindlichkeiten. Im Wege eines „Cross-class Cram-downs“ kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine ganze Gruppe von Gläubigern gegen ihren Willen überstimmt und zur Unterstützung der Sanierungsbemühungen verpflichtet werden. Darüber hinaus können vom Gericht flankierende Stabilisierungsmaßnahmen wie zum Beispiel Moratorien angeordnet werden. Mit den zusätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten steigt natürlich auch die Komplexität des Verfahrens und damit erhöhen sich zwangsläufig auch die Kosten. Aus diesem Grund wird das StaRUG kaum für KMU’s sondern vor allem bei größeren Unternehmen angewendet werden.

Fazit:

  • StaRUG enthält keine Werkzeuge für die operative Restrukturierung
  • Fokus liegt auf der finanziellen Restrukturierung zur Optimierung der Passivseite der Bilanz
  • Bei mindestens 75% Zustimmungsquote besteht die Möglichkeit zur Überstimmung von einzelnen Gläubigern und Disziplinierung von Akkordstörern
  • Wichtiger Schritt, um die Lücke zwischen rein konsensualer, außergerichtlicher Sanierung und Insolvenzverfahren zu schließen

Johann Stohner ist Managing Director bei Alvarez & Marsal und leitet die Restrukturierungspraxis in Deutschland. Er verfügt über mehr als 20 Jahre internationale Erfahrung im Turnaround-Management und hat als CRO, CTO oder Interims-CFO Restrukturierungen bei globalen Konzerngesellschaften und mittelständischen Unternehmen verantwortet.

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Alvarez & Marsal (A&M) zeigt aktuelle Entwicklungen für 2021 auf. Das Vorjahr hat aufgrund von COVID-19 viele Veränderungen gebracht, doch was für Trends sehen wir in den nächsten Monaten? Unsere Expertinnen und Experten bieten in dieser Artikel-Serie einen Überblick über die Herausforderungen und Chancen für die Wirtschaft. Krisen-bedingte Restrukturierungen, der Wiederanlauf des M&A-Marktes oder der steigende Druck auf Unternehmen, sich zu transformieren, sind nur einige Themen, die wir in dieser Serie behandeln.
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