Die stille Liquidation als probates Instrument zur Restrukturierung – Handlungsempfehlungen
Anwendungsfälle und Vorteile einer stillen Liquidation
Die negativen wirtschaftlichen Effekte der Corona-Pandemie haben sichtbare Folgen hinterlassen und zum Einbruch von Lieferketten und ganzen Industrien geführt. Daher müssen Unternehmen kontinuierlich ihre Ziele hinterfragen und entsprechend anpassen. Unternehmenseigner und Management haben in den vergangenen Monaten die Performance von Standorten, Fabriken und Produkten immer wieder neu bewertet. Die teils überraschende Erkenntnis ist, dass es viele Problemfälle gibt, die einen signifikanten Teil der Gewinne anderer Unternehmensbereiche aufzehren. Das Credo lautet fix, sell or close!
In manchen Fällen ist eine Restrukturierung nicht sinnvoll und ein Verkauf ebenfalls keine realistische Option. Das verbleibende Mittel zur Portfoliobereinigung ist in einem solchen Fall die Liquidation. Diese Maßnahme schreckt die Beteiligten häufig ab, denn am Ende bedeutet das die Eliminierung einer Gesellschaft. Objektiv betrachtet ist die Liquidation, neben den genannten Möglichkeiten, aber eine wesentliche Handlungsoption im Rahmen der Transformation eines Unternehmens: das Gebot der Stunde lautet Bereinigung! Letztlich sollte im Fokus stehen, den größten Wert bzw. den geringsten Schaden für die beteiligten Stakeholder zu erzielen – und genau das kann eine Liquidation bieten.
Es gibt zahlreiche Gründe für Liquidationen. Beispielsweise kann ein Restrukturierungsprogramm die Liquidation von verlustträchtigen Segmenten oder Regionen innerhalb des Konzernverbundes beinhalten. Ebenso kann die Liquidation eines kompletten Konzerns als Strategie zur Monetarisierung der vorhandenen Unternehmenswerte oder zum Herunterfahren von Produktionskapazitäten dienen. Besonders wenn öffentliche Aufmerksamkeit nicht erwünscht ist, bietet sich eine Liquidation an – im Gegensatz zu Insolvenzverfahren, die häufig hohe Sichtbarkeit im Markt erzeugen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Kontrolle bei den Eigentümern verbleibt und Risiken sowie Chancen ohne Abhängigkeit von einem Insolvenzverwalter abgewogen werden können. Damit kann ein Unternehmen die operativen Aspekte selbst steuern, wie zum Beispiel das Management von Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Das minimiert die negativen Auswirkungen auf die verbleibenden Unternehmensstrukturen.
Die Umsetzung der Liquidation
Das Ziel einer Liquidation ist klar, nur der Weg dorthin bleibt eine Herausforderung. Die formal rechtliche Abwicklung des Liquidationsprozesses ist selten das Kernproblem. Viel häufiger ist es die operative Liquidation, die Unternehmen vor die größten Hürden stellt. Meist reicht es nicht aus Mitarbeiter zu entlassen, die Produktion zu stoppen oder Vermögensgegenstände zu veräußern. Im Gegenteil: Eine Liquidation kann äußerst komplex und zeitintensiv sein. So stellt etwa die Abspaltung einzelner Bereiche eine enorme Herausforderung dar, insbesondere in Konzerngeflechten und für globale Kundenbeziehungen.
Daher sollte eine Phase der Validierung, Planung und Konzeptentwicklung vor der Implementation stattfinden. Die wesentlichen Aspekte bei der Vorbereitung und Durchführung einer Liquidation sind:
- Erstellung eines umfassenden Liquidationsplans
- Überwachung der Liquidität und aktives CashManagement
- Planung und Durchführung der Maßnahmen zum Personalabbau
- Verkauf von Vermögensgegenständen sowie Management von Verbindlichkeiten und Risiken
- Transfer von Kunden und Lieferantenbeziehungen
- Verlagerung von Produktionsaktivitäten
- Management der wesentlichen StakeholdernBeziehungen
- Kommunikation von relevanten Aspekten der Liquidation an interne und externe Stakeholder
- Etablierung einer Projektorganisation sowie eines Steering Committee
- Sonstige operative Aspekte, z.B. Kündigung von Vertragsbeziehungen
Sondersituationen identifizieren und in den Liquidationsplan integrieren
Neben den Standardthemen gibt es immer wieder spezifische Aspekte, die bei einer Liquidation auftreten können. Je nach Situation und Umfeld ist schwierig vorherzusehen, wann und in welchem Ausmaß diese eintreten werden. Ein Liquidationsplan sollte solche Sonderthemen immer einbeziehen. Beispiele dafür sind:
- Rechtsstreitigkeiten (vor allem als Beklagter)
- Steuerliche Sachverhalte (insbesondere Betriebsprüfungen)
- Übertragung von Pensionsverpflichtungen
- Auflösen von konzerninternen Verflechtungen
- Management von Ausschüttungen
Fazit:
- Die Durchführung einer Liquidation kann sehr komplex sein.
- Die richtigen Experten können mit ihrer Erfahrung helfen, die Liquidation innerhalb des Zeitplans und Budgets zu erreichen. Deren Fokussierung und Unabhängigkeit sind dabei wesentliche Faktoren, um letztlich auch den Erwartungen der Stakeholder gerecht zu werden und die Werte zu maximieren.
- Das Erarbeiten des Liquidationsplans spielt eine entscheidende Rolle. Dieser sollte relevante Themen detailliert aufführen und dabei auch die notwendigen Ressourcen und die finanziellen Implikationen der Liquidationen widerspiegeln.
- Neben dem Erstellen des Plans ist maßgebend, diesen strukturiert und schnell umzusetzen. Insbesondere dann, wenn die Mitarbeiter nur für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung stehen.
- Ebenfalls muss die Liquiditätssituation überwacht werden. Das stellt sicher, dass ausreichend Mittel für die Liquidation der Gesellschaft vorhanden sind und keine Insolvenztatbestände vorliegen.
Sebastian Nimwegen ist Senior Director im Restrukturierungsteam bei Alvarez & Marsal Deutschland. Er verfügt über mehr als 15 Jahre internationale Restrukturierungs- und Beratungserfahrung und fungiert im Rahmen von Interims-Mandaten unter anderem als Chief Restructuring Officer.