November 25, 2020

Die Nachlassstundung ist ein wirksames, aber nicht ausreichend genutztes Instrument zur Rettung von Unternehmen

  • Die Nachlassstundung erhöht die Chancen von Unternehmen in finanziellen Krisensituationen zu überleben und Arbeitsplätze zu retten. Dieses Instrument ist im Zuge der aktuellen Covid-19-Pandemie von grossem Nutzen.
  • Die Nachlassstundung ist ein noch nicht ausreichend genutztes Instrument: Zwischen Januar 2019 und September 2020 haben sich nur 100 Schweizer Unternehmen für eine Nachlassstundung entschieden. Von den 66 im Jahr 2019 eröffneten Verfahren führten 17 Fälle zu einer erfolgreichen Restrukturierung, wobei 21 Stundungsverfahren noch laufend sind.
  • Die Zahl der in der Schweiz registrierten Nachlassstundungen machte 2019 lediglich 1,4% der Anzahl Konkurse im selben Jahr aus (Januar bis September 2020 nur 1,2%). In den USA liegen die mit der Nachlassstundung vergleichbaren Chapter-11-Verfahren 2019 bei zirka 14% der Firmenkonkurse.

Zürich – Die vom Schweizerischen Bundesrat und den kantonalen Behörden beschlossenen Massnahmen zur Eindämmung der zweiten Welle von COVID-19-Infektionen schaden vielen Branchen wie dem Gastgewerbe, dem Tourismus und dem stationären Detailhandel. Auch wenn der Detailhandel seit Lockerung der Massnahmen nach der ersten Welle einiges aufholen konnte, dürften die Massnahmen gegen die zweite Welle die stationären Detailhändler während des äusserst wichtigen Weihnachtsgeschäfts einen empfindlichen Rückschlag erleiden. Die Pandemie hat auch bei dem stark exportorientierten, produzierenden und verarbeitenden Gewerbe schon nach der ersten Welle der Pandemie tiefe Spuren hinterlassen. Zusätzlich zu einem bereits feststellbaren Nachfragerückgang bei der Mehrheit der Unternehmen aus diesem Wirtschaftsbereich sind die nachgelagerten Auswirkungen noch schwer abzuschätzen.

Folglich dürften sich viele Unternehmen mit Liquiditätsproblemen konfrontiert sehen und möglicherweise trotz eines tragfähigen Geschäftsmodells einen Konkursantrag in Erwägung ziehen müssen. Eine neue Studie, die von Alvarez & Marsal und der Swiss Turnaround Association veröffentlicht wurde, legt nahe, dass eine Nachlassstundung ein wirksames Instrument zur Rettung existenzgefährdeter Unternehmen und der damit verbundenen Arbeitsplätze sein kann.

Führungskräfte sollten die finanzielle Situation objektiv beurteilen

Die Studie ergab, dass Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten oft zu lange warten, bevor sie die möglichen Optionen prüfen und Massnahmen ergreifen, und wenn sie dies tun, erkennen sie, dass die Krise derart fortgeschritten ist, dass nur noch wenig Handlungsspielraum bleibt und das Unternehmen letztendlich Konkurs anmelden muss.

Stattdessen sollte die Unternehmensführung bei Liquiditätsengpässen oder Überschuldung eine Restrukturierung und Sanierung frühzeitig angehen, indem die Situation objektiv analysiert, bewertet und eine Nachlassstundung als mögliche Lösung in Betracht gezogen wird.

Ein entsprechendes Sanierungsinstrument ist im Schweizerischen Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG) vorgesehen und hilft den Unternehmen Zeit zu gewinnen, indem sie Schutz vor Gläubigerklagen erhalten und die Aussichten auf eine gemeinsame Lösungsfindung verbessern. Eine Nachlassstundung kann im besten Fall verhindern, dass Unternehmen Mitarbeiter entlassen und schliesslich in Konkurs gehen.

Unter Führungskräften ist die Nachlassstundung jedoch noch wenig bekannt und oft werden aussergerichtliche Lösungen bevorzugt. 2019 haben sich nur 66 Schweizer Unternehmen für eine Nachlassstundung entschieden. Im Vergleich zu den 4'691 Firmenkonkursen im selben Zeitraum wurde das Instrument der Nachlassstundung lediglich bei rund 1,4% aller Schweizer Konkurse eingesetzt. In den USA waren die Anträge um das vergleichbare und deutlich bekanntere Chapter-11-Verfahren 2019 zehnmal so hoch (14%). Es besteht also ein gewisser Aufholbedarf für Schweizer Restrukturierungssituationen von diesem Instrument Gebrauch zu machen, um Gläubiger und Mitarbeiter zu schützen und die operative Tätigkeit weiterhin aufrechtzuerhalten.

40% der Unternehmen wurden nach einer Nachlassstundung erfolgreich saniert

17 (38%) der Unternehmen, denen 2019 eine Nachlassstundung gewährt wurde und für die das Verfahren nun abgeschlossen ist, wurden entweder durch eine reine Restrukturierung oder durch einen ordentlichen Nachlassvertrag mit ihren Gläubigern erfolgreich abgeschlossen.

In 28 (62%) der abgeschlossenen Verfahren wurde die Gesellschaft aufgelöst. In 5 Fällen wurde eine Auffanglösung (d.h. der gesunde Teil des Unternehmens wurde zu einer unabhängigen Einheit) oder eine Betriebsübertragung an eine Drittpartei erzielt.

Alessandro Farsaci und Tobias Fritsche, Managing Director resp. Associate Director bei A&M Schweiz im Bereich Restrukturierung, stellen fest: «Von der Nachlassstundung wird verhältnismässig wenig Gebrauch gemacht. Werden Engpässe frühzeitig sorgfältig und objektiv beurteilt, kann die Nachlassstundung eine Chance zur Sicherung von Arbeitsplätzen sein. Insbesondere im derzeit schwierigen wirtschaftlichen Umfeld könnte die Nachlassstundung ein hervorragendes Instrument zur Rettung wettbewerbsfähiger Unternehmen sein, die unter dem COVID-19-Schock leiden.»

2020 traten lediglich 34 Unternehmen in eine Nachlassstundung ein

Von Januar 2020 bis Ende September 2020 wurde 34 Unternehmen eine Nachlassstundung gewährt. Wird diese Zahl auf das Jahr linear hochgerechnet, entspricht dies 45 Fällen und einem Rückgang von 30% gegenüber 2019. Dieser Rückgang lässt sich durch die COVID-19-Unterstützungsmassnahmen der Schweizer Regierung für Unternehmen erklären. Zum Vergleich: auch die Anzahl Firmenkonkurse ging bis September gegenüber Vorjahr rund 20% zurück. Im Verhältnis zu den 2'760 Konkursen im gleichen Zeitraum wurde das Instrument der Nachlassstundung nur bei rund 1,2% aller Konkurse eingesetzt.

Zusätzlich zu den gewöhnlichen Verfahren nutzten nur 22 Unternehmen die vereinfachte COVID-19 Stundung, ein vereinfachtes Verfahren für kleinere Unternehmen in einfachen Verhältnissen, das bis zum 19. Oktober 2020 in Kraft war. Dies zeigt, dass eine Welle von Insolvenzen durch die anderen COVID-19-Massnahmen der Schweizer Regierung bislang wirksam vermieden wurde. Zu den Massnahmen gehörten staatlich unterstützte COVID-Kredite, die Lockerung der Kurzarbeitsentschädigung und die vorübergehende Aussetzung der Überschuldungsanzeige gemäss Art. 725 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR).

Über die Autoren der Studie

Alessandro Farsaci, CFA

Alessandro Farsaci ist Managing Director und leitet das Team für Restrukturierung und Sanierung von Alvarez & Marsal in der Schweiz. Er ist Vorstandsmitglied der Swiss Turnaround Association.

Tobias Fritsche

Tobias Fritsche ist Associate Director und Mitglied der Teams für Restrukturierung und Sanierung von Alvarez & Marsal in der Schweiz.

Die vollständige Studie kann hier eingesehen werden.

Alvarez & Marsal

Alvarez & Marsal (A&M) ist ein nichtkotiertes Unternehmen, das seit seiner Gründung 1983 im Besitz seiner beiden Partner ist und weltweit multidisziplinäre Dienstleistungen anbietet. A&M unterstützt und begleitet private und öffentliche Unternehmen, Gläubiger und Anspruchsgruppen von notleidenden Unternehmen, Verwaltungsräte, Private-Equity-Firmen, Anwaltskanzleien und Regierungsbehörden, die mit komplexen Herausforderungen wie Restrukturierung, Due Diligence, Transformation und Change Management konfrontiert sind.

Mit mehr als 5’000 Mitarbeitern weltweit setzen sich die A&M-Teams aus erfahrenen Fachleuten zusammen, die in führenden Unternehmen, Aufsichts- und Regulierungsbehörden operative und finanzielle Führungsverantwortung getragen haben. Seit 2019 ist A&M in der Schweiz in Zürich und Genf vertreten.

Um mehr zu erfahren, besuchen Sie AlvarezandMarsal.com.

Swiss Turnaround Association

Die Swiss Turnaround Association (STA) ist eine Vereinigung von Fachleuten auf dem Gebiet der Unternehmensrestrukturierung und -sanierung, die darauf abzielt, das interdisziplinäre Gebiet des Turnaround-Managements sowie die nationale und internationale Zusammenarbeit und den Austausch der in diesem Bereich tätigen Berufsleute zu fördern. STA ist das lokale Schweizer und Liechtensteinische Chapter der Turnaround Management Association (TMA).

Die Mitglieder sind erfahrene Sanierungs- und Restrukturierungsspezialisten, die wertvolle Beiträge in herausfordernden Unternehmenslagen leisten. Sie sind bei aussergerichtlichen und gerichtlichen Restrukturierungen involviert.

Die Vereinigung veröffentlicht Publikationen und organisiert Veranstaltungen und Webinare, um den fachlichen und gesellschaftlichen Austausch ihrer Mitglieder zu fördern. Durch die Teilnahme am Rechtsetzungsprozess will der Verband die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Restrukturierungen verbessern und setzt sich dafür ein, dass die Schweiz harmonisierten internationalen Standards folgt.

Um mehr zu erfahren, besuchen Sie www.swiss-turnaround.ch.

Kontakt

Alessandro Farsaci, Managing Director, Alvarez & Marsal

Tel: +41 78 600 50 66

afarsaci@alvarezandmarsal.com

Roger Bischof, Präsident der Swiss Turnaround Association

Tel: +41 76 324 85 60

info@swiss-turnaround.ch

Medienstelle

Cabinet Privé de Conseils s.a. (CPC-PR)

Michael Füglister

Tel: +41 022 552 46 46

alvarezmarsal@cpc-pr.com

 

Alvarez & Marsal (A&M) hat zusammen mit der Swiss Turnaround Association (STA) die Anwendung des Schweizer Nachlassverfahrens im Zeitraum von Januar 2019 bis September 2020 analysiert.
Alvarez and Marsal (A&M) and the Swiss Turnaround Association (STA) have analysed and commented on the outcomes of Swiss debt moratorium cases between January 2019 and September 2020.
Alvarez & Marsal (A&M) hat zusammen mit der Swiss Turnaround Association (STA) die Anwendung des Schweizer Nachlassverfahrens im Zeitraum von Januar 2019 bis September 2020 analysiert.
Alvarez and Marsal (A&M) and the Swiss Turnaround Association (STA) have analysed and commented on the outcomes of Swiss debt moratorium cases between January 2019 and September 2020.
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