In der Veränderung liegt die Kraft im Wettbewerb
Trotz aller Pandemie-Sorgen: Deutsche Industrieunternehmen stehen im internationalen Vergleich noch gut da. Eine Umfrage unter Top-Managern zeigt, dass drei Viertel von ihnen ihre Wettbewerbsposition in der Krise als stabil oder sogar als gestärkt einschätzen. Doch für die vergleichsweise positive Zwischenbilanz haben sie hart gekämpft. Sie haben tiefgreifende Veränderungen vorgenommen, die Digitalisierung beschleunigt, die Schnittstelle zum Kunden optimiert und mit zahlreichen weiteren Maßnahmen auch ihr Geschäftsmodell verändert.
Wer liefern kann, ist klar im Wettbewerbsvorteil. Was im Alltag globalisierter und optimierter Produktionsketten wie eine Banalität erscheint, wird in Extremphasen der Corona-Pandemie zu einem entscheidenden Überlebensfaktor für Unternehmen. Sichtbarste Auswirkung: Zulieferer fallen von einem Tag auf den anderen aus, weil sie wegen der harten Restriktionen nicht mehr produzieren können oder dürfen.
So stand die deutsche Automobilindustrie im Frühjahr über Nacht ohne Lieferteile aus der für die Branche wichtigen chinesischen Region Wuhan da. Dann waren Lieferanten aus Italien betroffen, schließlich mussten Hersteller wegen der nationalen Lockdowns komplett die Produktion einstellen. Aber auch andere Branchen waren betroffen. Anfang März wurden Antibiotika und Paracetamol knapp, nachdem ein chinesischer Wirkstoffhersteller die Produktion gestoppt hatte. Unabhängig davon, wie stark eine Branche in der durch das Virus ausgelösten Krise unter Druck steht, ist ein Faktor für den Erfolg entscheidend: die Bereitschaft zur Veränderung. Allerdings stärkt diese Fähigkeit nur dann die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens, wenn beschlossene Eingriffe gezielt und rasch umgesetzt werden.
„Operative Anpassungen mussten in vielen Fällen sofort passieren, um zunächst einmal den Fortbestand zu sichern. Strategische und taktische Änderungen sind jetzt erforderlich, um die Positionierung mittel- und langfristig zu festigen. Nachdem wir die erste Welle hinter uns gelassen haben, ist es nun in der zweiten Welle entscheidend, konsequent das Erlernte aus der Krise für das Geschäftsmodell, die Organisation und die Wertschöpfung zu nutzen“, sagt Philipp Ostermeier, der für das internationale Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal gemeinsam mit Patrick Siebert das deutsche Team für Corporate Transformation Services führt. „Es gilt, zwischen sinnvollen, weil nachhaltigen Veränderungen einerseits und Aktionismus andererseits zu unterscheiden.“
Umfassende Analyse von Industrieunternehmen
Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Managementforschung (DGMF) hat Alvarez & Marsal unter der Leitung von Professor Christoph Wamser zwischen Juli und Oktober 2020 Vorstände und führende Manager von 143 deutschen Industrieunternehmen befragt, wie sie sich in der Corona-Krise im Wettbewerb behaupten konnten. Neben den relevanten DAX-Unternehmen bilden nicht börsennotierte Großunternehmen und der gehobene Mittelstand mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 Milliarde Euro den Schwerpunkt der Untersuchung. Die Gespräche wurden als persönliche, leitfadenbasierte Tiefen-Interviews geführt. Die Gesprächspartner waren mehrheitlich Vorsitzende oder Mitglieder des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsführung.
Wichtige Lektionen für die Zukunft
Wie die Studie zeigt, haben Unternehmen in der Krise viel gelernt: die Stabilisierung einer fragilen Supply Chain, die effiziente Produktion unterhalb etablierter Auslastungsgrenzen, die Digitalisierung des klassischen Vertriebs. So ist es zahlreichen Firmen gelungen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern oder stabil zu halten, wenn auch meist auf einem Corona-bedingt niedrigeren Produktions- und Leistungsniveau. Unter dem Strich fällt diese Zwischenbilanz zur Wettbewerbsfähigkeit für den Industriestandort Deutschland damit zunächst positiv aus.
In den kommenden Monaten wird es aber nun entscheidend sein, wie die Unternehmen die positiven Lerneffekte und die hohe Veränderungsbereitschaft, die auf den Leidensdruck in der akuten Corona-Krise zurückgehen, in ihrer Geschäftstätigkeit verstetigen können. Die Zeit, in der so mancher unüberwindbar erscheinender Widerstand gebrochen ist, muss genutzt werden, um die Unternehmen bestmöglich aufzustellen. Schließlich muss auch künftig das operative Geschäft den vielfach gestiegenen Kapitaldienst, nicht zuletzt auch für staatliche Kredite oder Subventionen, bedienen können.
Agilität, eine hohe Reaktionsfähigkeit und die kontinuierliche Optimierung werden mehr denn je zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren. Der Vorstand eines Unternehmens aus der Fertigungsindustrie bringt diese Herausforderung auf den Punkt: „Wie können wir auch in Zukunft die ‚Maschine‘ so anhalten, dass wir sie auch wieder schnell starten können, wenn die Nachfrage anzieht?“

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