November 7, 2022

Dank Schweizer Nachlassstundungen haben finanziell angeschlagene Unternehmen eine potenzielle Überlebenschance von 60%

  • Die Nachlassstundung ist ein Schweizer Rechtsinstrument, das es finanziell angeschlagenen Unternehmen ermöglicht, ihre Sanierungsaussichten durch ein gerichtliches Verfahren zu verbessern.
  • In den vergangenen Jahren lag der Anteil der Unternehmen oder dessen Betriebsteile, dessen Zukunft mittels einer Nachlassstundung gesichert werden konnte, bei bis zu 60 %.
  • Die Nachlassstundung als gerichtliches Sanierungsverfahren spielt eine untergeordnete Rolle: der Anteil der Sanierungsversuche machte zwischen 2019 und 2021 nur etwa 1,5 % aller Insolvenzverfahren aus. Das Verfahren ist nach wie vor als Konkurs stigmatisiert und in der Geschäftswelt ist das Verfahren bzw. sein Nutzen nur wenig bekannt. Erschwerend hinzu kommt eine unglückliche Verfahrensbenennung.

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Zürich - Das globale Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal hat seine jährliche Umfrage zur Nutzung des Schweizer Sanierungsverfahrens, resp. «Nachlassstundungen». veröffentlicht. Das Verfahren bietet finanziell angeschlagenen Unternehmen Schutz vor Gläubigern, Zeit und wertvolle Mittel zur Restrukturierung und Reorganisation von Unternehmen oder deren Geschäftsbereichen und ist zur Durchführung sogenannter "Pre-Pack M&A-Transaktionen" relevant. Die jüngste Erhebung, die eine Aktualisierung der Publikation aus dem Jahr 2020 darstellt, hat ergeben, dass die Zahl der Unternehmen, welche die Nachlassstundungen in Anspruch genommen haben, im Jahr 2021 nur 1,6 % der Unternehmensinsolvenzen ausgemacht hat (1,5 % im Jahr 2020 und 1,6 % im Jahr 2019), was im Vergleich zu anderen Märkten weiterhin sehr niedrig ist.Hohe Erfolgsquote von bis zu ca. 60% könnte viele Unternehmen und Arbeitsplätze retten

Unternehmen, die 2019, 2020 und 2021 in eine Nachlassstundung eingetreten sind, hatten eine Erfolgsquote von 58%, 54% bzw. 33% bei der Suche nach Lösungen für ihre Unternehmen oder einzelner Geschäftsbereiche (d. h. Sanierung im weiteren Sinne) und somit bei der Erhaltung der damit verbundenen Arbeitsplätze. Die 2019 eingeleiteten Sanierungsverfahren sind abgeschlossen, aber viele der 2020 und 2021 eingeleiteten Verfahren noch nicht, was die vorläufig niedrigeren Erfolgsquoten in den Jahren 2020 und 2021 erklärt. Betrachtet man die Erfolgsquote von 58% im Jahr 2019 als Referenzjahr, so könnten Schweizer Unternehmen oder Betriebsteile von ihnen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, welche unter anderem durch die steigenden Zinsen, Inflation, Engpässe in der Lieferkette und die jüngste Energiekrise verursacht wird, ihre Erfolgschancen bei der Sicherung ihrer Zukunft erhöhen.

Trotz der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie bleibt das Nachlassverfahren nur wenig genutzt, da das Instrument mit dem Stigma des Konkurses assoziiert wird, das Bewusstsein für das Instrument und seine Vorteile fehlt und verschiedene staatliche Hilfsmassnahmen gegen COVID-19 Schweizer Unternehmen unterstützen. Zum Vergleich: In den USA machten die Anträge auf ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 – ein vergleichbares Instrument – im Jahr 2020 rund 22% aller Insolvenzverfahren aus.

Tobias Fritsche, Associate Director bei Alvarez & Marsal, sagt dazu: "Viele Experten erwarten für das laufende Jahr und darüber hinaus einen Nachholeffekt bei den Unternehmensinsolvenzen, die sich aufgrund der Pandemie und der damals verfügbaren staatlichen Hilfen verzögert haben. Vor diesem Hintergrund ist es essenziell, dass die Unternehmen alle verfügbaren Sanierungsoptionen und deren bestmögliche Umsetzungsvariante prüfen. Die von A&M erstellte Studie über das Schweizer Nachlassverfahren enthält exklusive Informationen über Fallzahlen und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur allgemeinen Diskussion über die weitere Verbesserung der Schweizer Sanierungslandschaft."

 

Abbildung: Da oft zu spät und nicht entschlossen genug gehandelt wird, anstatt proaktiv Sanierungspläne zu entwerfen und umzusetzen, bspw. durch ein Nachlassverfahren, enden die meisten notleidenden Unternehmen direkt im Konkurs. So deponierten im Jahr 2019 von insgesamt 4’247 Unternehmen 98,4% ihre Bilanz (Konkurs), während nur 1,6 % eine gerichtliche Sanierung angestrebt haben. Von den 66 Unternehmen, die das Nachlassverfahren in Anspruch genommen haben, konnten 58% (38 Unternehmen) ihre Unternehmen erfolgreich umstrukturieren. Quelle: Alvarez & Marsal

 

Alessandro Farsaci, Managing Director bei A&M Schweiz, kommentiert: "Die Entscheidung für ein gerichtliches oder aussergerichtliches Verfahren ist nicht der Ausgangspunkt einer Sanierung, sondern oft hauptsächlich die Frage, wie der Plan am besten umgesetzt werden kann. Die wichtigeren Erfolgsfaktoren eines Turnarounds sind in der Regel eine faktenbasierte Bewertung des Unternehmens (z.B. Wettbewerbsfähigkeit), auf deren Grundlage ein umfassender und realistischer Plan ausgearbeitet werden kann, um die Strategie bzw. das Geschäftsmodell anzupassen sowie das Unternehmen und seine Ertragslage zu verbessern. Die Sanierung bleibt also im Grundsatz zwar eine tägliche Aufgabe von Unternehmensleitern, aber es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen diese Prozesse früh genug einleiten und ihre Pläne rigoros umsetzen, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. "

Die Studie von A&M zeigt, dass der schweizerische Rechtsrahmen zwar ein funktionierendes Instrument zur Sanierung von Unternehmen oder Geschäftseinheiten bietet, die Entscheidungsträger diesen Weg aber zu oft erst dann in Betracht ziehen, wenn es selbst für eine gerichtliche Sanierung zu spät ist, weil das Verfahren als Konkurs angesehen wird. Das Stigma, das in der Schweiz mit Konkursen verbunden ist, hält die Unternehmen davon ab, ein wirksames Rechtsinstrument zu nutzen, das ihre Aussichten erheblich verbessern könnte. Ein proaktiverer Einsatz von Sanierungsverfahren würde dazu beitragen, vermeidbare Konkurse zu verhindern, Schweizer Arbeitsplätze zu schützen und Werte für alle Beteiligten zu erhalten.

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Anmerkungen an die Redaktion

Methodik

Die Datenerhebung der Studie basiert auf den amtlichen Veröffentlichungen im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) und beschränkt sich auf die Rechtsformen der AG und GmbHs.

Für die Analyse von Nachlassstundungsverfahren, die nicht öffentlich gemacht wurden, haben die Autoren die Daten direkt bei den schweizerischen Amtskonkursgerichten erhoben. Von den 110 befragten Bezirksgerichten haben 78 und 94 im Jahr 2019 bzw. 2020-21 geantwortet. Die hohe Rücklaufquote von 80% rechtfertigt es, robuste Schlussfolgerungen aus den Daten zu ziehen. Zudem wurden die Daten mit einer Mehrheit der im untersuchten Zeitraum tätigen Verwalterinnen und Verwalter besprochen.

Die Zuordnung eines Nachlassverfahrens zu einem bestimmten Jahr wurde anhand des Zeitpunkts der Eröffnung der provisorischen Stundung festgelegt (wurde zum Beispiel die provisorische Nachlassstundung 2019 gewährt und im Jahr 2020 in eine definitive Nachlassstundung umgewandelt, wird der Fall nur im Zeitraum 2019 gezählt).

 

Über Alvarez & Marsal

Unternehmen, Investoren und öffentliche Institutionen auf der ganzen Welt wenden sich an Alvarez & Marsal (A&M), wenn es um Leadership, Umsetzung und messbare Ergebnisse geht. A&M ist seit seiner Gründung 1983 in Privatbesitz und ein weltweit führendes Beratungsunternehmen, das sich auf Business Consulting, Verbesserung der Unternehmensleistung, Due Diligence und Turnaround-Management konzentriert. Unsere Kunden profitieren von unserem fundierten Fachwissen und Erfahrungsschatz, wenn herkömmliche Ansätze nicht mehr ausreichen, um Veränderungen herbeizuführen.

Mit mehr als 6.500 Mitarbeitern auf vier Kontinenten liefern wir konkrete Resultate für Unternehmen, Verwaltungsräte, Gläubigern, Private-Equity-Firmen, Anwaltskanzleien und Regierungsbehörden, die vor komplexen Herausforderungen stehen. Unsere Führungskräfte und ihre Teams nutzen die Erfahrung von A&M im Bereich Restrukturierung, um Unternehmen dabei zu helfen, entschlossen zu handeln, ihr Wachstum anzukurbeln und ihre Ergebnisse zu beschleunigen. Wir sind erfahrene Unternehmer, erstklassige Berater, frühere Regulierungsbehörden und Industriebehörden, die sich gemeinsam dafür einsetzen, ihren Kunden zu sagen, was wirklich notwendig ist, um Veränderungen in einen strategischen Unternehmenswert zu verwandeln, Risiken zu managen und in jeder Wachstumsphase Werte freizusetzen. Seit 2019 ist A&M in der Schweiz in Zürich und Genf vertreten. 

Weitere Informationen: AlvarezandMarsal.com.

 

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Authors

Tobias Fritsche

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