May 10, 2022

Das Investitionsdilemma: Eine Buyside-Perspektive auf Wertschöpfung und Investitionsstau in der MRO-IT

Obwohl sie für MRO-Prozesse unerlässlich ist, ist IT in MRO durch Investitionsstau und ungenutztes Effizienzsteigerungspotenzial gekennzeichnet. Angesichts pandemiebedingter Restriktionen in IT-Budgets müssen Investoren Kostensenkungsmaßnahmen und überfällige Technologieinvestitionen in der Wartungs- und Reparaturbranche sorgfältig gegeneinander abwägen, um IT-Abteilungen in die Lage zu versetzen, einen konkreten Beitrag zum Unternehmenswert und dessen Steigerung zu leisten.

Wartungs- und Reparaturprozesse (MRO) in der Luft- und Raumfahrt sind komplex und unterliegen stringenten luftfahrtbehördlichen Auflagen. Für Luftfahrtbetriebe machen Wartung und Reparatur zwischen 11 % und 15 % ihrer jährlichen Kosten aus und sind damit ein wesentlicher Teil ihrer gesamten Betriebskosten. Trotz Größe und Entwicklungsperspektiven des Marktes für Flugzeugwartung erzielen MROs selten hohe Gewinne. Sie erwirtschaften im Durchschnitt lediglich 12 % EBITDA, wenn auch mit großen Unterschieden zwischen unterschiedlichen MRO-Teilsektoren. Fragmentierte Beschaffungsmärkte, hohe Fixkosten und Umsatzschwankungen sind nur einige der Faktoren, die es MROs schwer machen, nachhaltig höhere Margen zu erzielen. 

Die Corona-Krise hat auch die MRO-Branche in der Luft- und Raumfahrt erschüttert, und konservative Szenarien gehen davon aus, dass der MRO-Markt 2023 noch immer 20 % unter seinem Höchststand von 2019 liegen wird. Die Zulieferindustrie für Luft- und Raumfahrt hat in der Vergangenheit bereits erhebliche Konsolidierungsschritte erlebt, und durch die seit der Pandemie angespannte Finanzlage in Luftfahrbranche ist in kommenden Jahren mit weiterem Konsolidierungsdruck bei MROs zu rechnen.

Corporate IT als Dreh- und Angelpunkt von Unternehmenstransaktionen

Informationstechnologie (IT) ist heute Kern der meisten Unternehmenstransaktionen. Bei Umstrukturierungen bestimmt Technologie ganz wesentlich den kritischen Pfad, Zeitplan, Ressourcenbedarf und Kosten. Wertschöpfungspläne sind kaum umsetzbar, wenn IT nicht im Mittelpunkt des Transformationsprogramms liegt. In allen Branchen sind Transaktionen eine Gelegenheit zur neuerlichen Bewertung der IT in einem Unternehmen, da die Dynamik, die sie mit sich bringen die Neugestaltung des IT-Betriebs und seiner Kosten ermöglicht. Während sich MRO-IT in vielen Aspekten nicht grundlegend von der in anderen Fertigungsindustrien unterscheidet, glauben wir, dass es besonders anspruchsvoll ist, Unternehmens-IT in einer Branche in einen Wertschöpfungsplan einzubinden , die sich durch knappe Budgets, strenge Auflagen und nicht genutzte technologische Innovationspotenziale auszeichnet.

MRO-IT ist geprägt von niedrigen Budgets und Problemen, den finanziellen Nutzen von IT-Investitionen darzulegen

MROs wenden im Schnitt zwischen 1 und 3 % ihres Jahresumsatzes für IT auf. IT Budgets variieren innerhalb dieser Spannbreite, je nach Größe, Teilsektor, regionalem Schwerpunkt, Ausrichtung auf Flugzeugtypen und Aufteilung zwischen militärischen und zivilen Kunden. IT wird bei MROs in der Regel als Kostenstelle wahrgenommen, und Investitionen zur Investitionssteigerung erfolgen nur zögerlich.

In unserer Arbeit sehen wir, dass MRO-IT-Abteilungen zwar daran glauben, dass IT zur Wertschöpfung im Unternehmen beiträgt, die meisten Vertreter jedoch einräumen müssen, dass IT-Investitionen nicht unbedingt einen messbaren finanziellen Nutzen haben. Aufgrund der Komplexität von Systemen, Organisationen und Prozessen ist es für viele IT-Organisationen schwierig, aussagekräftige Business Cases zu erstellen und zu verfolgen. Viele Projekte haben Schwierigkeiten darzustellen, wie sich eine IT-Investition konkret auf die finanzielle Performance des Unternehmens auswirkt.     

Investoren müssen überfälligen IT-Modernisierungsbedarf mit Einsparungsdruck in Einklang bringen

Angesichts von Neuausrichtungen, technischen Problemen, angespannten Budgets und Technologie-Buzzwords müssen Investoren in MRO-Organisationen die richtigen Maßnahmen identifizieren, um durch Technologie ihre Wertschöpfungspläne zu unterstützen. Sie müssen sie sich aber auch der Investitionen bewusst sein, die zur Aufrechterhaltung des IT-Betriebs erforderlich sind, da der Investitionsstau der letzten Jahre zu einem Betriebsrisiko werden kann.

Typische Kostensenkungsmöglichkeiten in der MRO-IT 

Bei MROs fallen in der Regel fallen 20-30 % IT Kosten für Infrastrukturbetrieb an. Sofern nicht bereits durch Kostensenkungsinitiativen während der Pandemie adressiert, können Unternehmenstransaktionen idealerweise dazu genutzt werden, die Infrastruktur- und Lizenzkosten durch Anpassung von Verträgen und Hardware auf die Zahl der künftig zu betreuenden Nutzer und Kunden zu optimieren. Da IT-Betriebskosten in der Regel mit der Zahl von Wartungs- und Reparaturevents und der Anzahl zu betreuender Nutzer steigen, kann – mit einigem Nachdruck - Infrastruktur- und Lizenz-Überschuss oft zügig und ohne negative betriebliche Auswirkungen abgebaut werden.

In der fertigenden Industrie werden jährlich durchschnittlich 18 % des IT-Budgets in Transformationsprojekte investiert.  In ihrem Bestreben, Technologietrends in der MRO -Branche gerecht zu werden, haben viele Unternehmen IT-Innovationsprojekte ins Leben gerufen, die häufig entweder ihren Ergebniserwartungen nicht gerecht werden, oder nicht zur zukünftigen Unternehmensausrichtung nach der Transaktion passen. Oftmals werden IT-Initiativen als "strategisch" bezeichnet, was ihnen einen Aura der Unantastbarkeit verleiht, und dazu führt, dass ihr Nutzen auch wenn sich das Marktumfeld verändert, kaum hinterfragt wird, selbst, wenn sie kurz- oder mittelfristig keine finanziell spürbaren Vorteile bringen. Investoren sollten den Fortschritt und Nutzen laufender IT-Innovationsprojekte neu bewerten, um festzustellen, ob sie wirklich den erwarteten Mehrwert bringen oder aus Kostengründen eingestellt werden sollten.

Drittens leiden vor allem etablierte MRO-Organisationen häufig unter einem wenig effizienten IT-Betrieb, da veraltete Infrastruktur, Altanwendungen oder Mitarbeiter heutige Anforderungen an Budget, Leistung und Qualifikationen nicht ausreichend erfüllen können. Investoren können den Impuls der Firmentransaktion nutzen, um ein völlig neues IT-Betriebsmodell zu entwerfen, z. B. durch Kostensenkungen durch teilweises oder vollständiges Outsourcing von Hosting und Betrieb, Reduktion von Berichtsebenen und Neubewertung von Rollen.

Typischer Investitionsbedarf in der MRO-IT

Angesichts zunehmender Cyber-Sicherheitsrisiken erhöhen Luftfahrtbehörden ihre Anforderungen an Informationssicherheit in der Luftfahrt merklich. US- und EU-Luftfahrtbehörden haben Direktiven entworfen, die betroffene Unternehmen verpflichten die Wirksamkeit ihrer Informationssicherheitsmanagementsysteme (ISMS) formell nachzuweisen. Da die Nichterfüllung dieser Standards ein erhebliches Risiko für die Zulassung als Luftfahrtwartungsbetrieb darstellen kann, sollten sich die Käufer eventueller Mängel und Investitionen bewusst sein, die erforderlich sind, um die Qualität des Informationssicherheitsmanagementsystems (ISMS) aufrechtzuerhalten oder zu verbessern, damit es den Anforderungen der Behörden Genüge tut.

Aufgrund veralteter IT-Infrastruktur leiden Mitarbeiter in Werkstätten, Lagern und auf Transportwegen häufig unter schlechter Netzanbindung. Sie sind daher oft gezwungen auf papierbasierte Prozesse ausweichen und nicht selten handschriftliche Notizen, Versanddokumente oder Wartungsnachweise nachträglich händisch in IT-Systeme einzugeben. Derart mangelhafte Konnektivität in Werken schränkt die Nutzung mobiler Geräte ein und senkt die Effizienz der Mitarbeiter. Investitionen in grundlegendste Infrastruktur befähigen MROs oft überhaupt erst, bereits verfügbare Technologien wie datenintensive, moderne Informationssysteme oder mobile Geräte effizient einzusetzen.

Auch in der Flugzeugwartung unterstützt ERP-Software eine breite Palette unterschiedlicher Prozesse. Obwohl ihr Schwerpunkt ursprünglich auf Finanzdaten liegt, erstreckt sich ihr Anwendungsbereich oft auch auf die Supply Chain, Produktionsplanung und Lagerhaltung. Alte ERP-Systeme sind kostspielig im Betrieb und nach jahrelanger Weiterentwicklung oft in schlechtem technischen Zustand. Da ihr Upgrade teuer sein kann und in der Regel zu zumindest vorübergehenden Produktivitätseinbußen führt, sollten Investoren den Zustand von ERP-Systemen sorgfältig prüfen und hinterfragen, ob sie das angestrebte Betriebsmodell nach der Transaktion angemessen unterstützen, oder ob etwa ein Releasewechsel oder eine Migration erforderlich sein werden.

Zuletzt leiden etablierte MROs nicht selten unter mangelhafter Integration von Systemen für Kundenauftragsbearbeitung, Produktion, Finanz- und Berichtswesen. Infolgedessen ist die Qualität vorhandener Daten schlecht, der Aufwand für ihre Auswertung hoch, und es ist kaum möglich Daten zur aktiven Steuerung von Betriebsabläufen zu nutzen, statt rückblickend über sie zu berichten. Investitionen in moderne und sichere Systemintegration verbessern Datenkonsistenz und Analysemöglichkeiten, und sind eine Voraussetzung für weiterführende Automatisierung von Betriebs- und Steuerprozessen.

Wie löst man das MRO-IT-Investitionsdilemma?

MRO ist Hightech und Commodity zugleich. Diese Eigenschaft wirkt sich auf ihren IT-Betrieb aus und erfordert dort letztlich schwierige Kompromisse. Sollte dieses laufende Innovationsprojekt auch nach der Krise fortgesetzt werden? Ist diese mehrjährige Investition in das Netzwerk wirklich nötig? Wie viele CyberSecurity-Spezialisten brauchen wir in Zukunft? Dies sind nur einige der Überlegungen, die sich heute in jeder MRO-IT-Abteilung stellen. 

Ein Verständnis für die Zielkonflikte zu entwickeln, denen sich eine IT-Abteilung in einem Wartungsbetrieb stellen muss, bereitet Investoren auf künftige Entscheidungen vor, die bei IT-Budgets und Organisationsgestaltung zu treffen sind. Investoren sollten sich daher möglichst schnell einen Überblick verschaffen über:

  • IT-Budget, dessen Entwicklung, Ressourcennutzung und Anwendung von Arbeitszeitflexibilisierungsprogrammen in der IT-Abteilung
  • Verhältnis von Stückkosten und Nutzen von IT-Systemen
  • Auswirkungen von Airworthiness Direktiven und CyberSecurity Anforderungen auf Systeme
  • Kosten des Systemportfolios und konkreten finanziellen Nutzen von Projekten
  • Bedarf an Infrastrukturinvestitionen
  • Technischen Zustand, Aktualisierungsbedarf und Kosten des ERP-Systems sowie dessen Zusammenspiel mit Maintenance & Engineering (M&E) Systemen 
  • Auswirkungen zukünftiger Programme zur Unternehmenswertsteigerung auf die IT-Strategie und IT-Budgets.

Obwohl IT-Modernisierung bei MROs überfällig ist, werden IT-Abteilungen in den nächsten Jahren kaum von Budgetkürzungen verschont bleiben. Um dieses IT-Investitionsdilemma zu lösen, ist es wichtig, dass Investoren die Herausforderungen ihrer IT-Abteilung verstehen und sie dabei unterstützen Investitionen so zielgerichtet einzusetzen, dass sie ergebnissicher und nachhaltig zum Unternehmenswert beitragen.

Authors

Rafael Hellmann

Senior Associate
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