November 23, 2021

Aufgeschobene Konkurse von Schweizer Unternehmen könnten sich ab 2022 materialisieren

  • Eine neue Analyse untersucht die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf rund 180 Schweizer Unternehmen.
  • Im Jahr 2020 war der Anteil an Schweizer Unternehmen, die sich in einer finanziell herausfordernden oder angespannten bis akut angespannten Lage befinden, im Vergleich zu 2019 um mehr als 30% gestiegen.
  • Rund ein Viertel der in der Studie untersuchten Unternehmen hatte 2020 eine ungenügende Ertragslage und/oder eine schwache Finanzlage.
  • Aufgrund der anfangs 2022 auslaufenden staatlichen Finanzhilfen, ist die Gefahr gross, dass die 2020 und 2021 aufgeschobenen Konkurse eintreten werden.

Zürich  - Eine Analyse des globalen Beratungsunternehmens Alvarez & Marsal (A&M) zeigt auf, dass viele Konkurse und Insolvenzen von Schweizer Unternehmen in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der staatlichen Unterstützungsmassnahmen gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie von rund 42 Milliarden Schweizer Franken nicht aufgehoben, sondern wahrscheinlich verschoben wurden. Trotz der Rezession 2020 ist die Anzahl an Konkursen und Insolvenzen in der Schweiz (wie in vielen anderen Ländern) im Vergleich zu 2019 um knapp 20% zurückgegangen. Die Finanzlage von Schweizer Unternehmen hat sich jedoch verschlechtert, da entweder die Verschuldung gestiegen oder die Liquidität gesunken ist und die Erträge bzw. Gewinne zurückgegangen sind. Wenn die staatlichen Finanzhilfen Anfang 2022 auslaufen, könnte in naher Zukunft die Anzahl an Konkursen und Insolvenzen von Schweizer Firmen steigen.

Mehr Schweizer Unternehmen mit höherer Verschuldung und geringer Profitabilität im Jahr 2020

Die Ertrags- und Finanzlage von Schweizer Unternehmen hat sich 2020 vs. 2019 verschlechtert. Dies hat A&M anhand einer Vielzahl von Finanzkennzahlen analysiert und bewertet. Der Anteil an Schweizer Unternehmen in einer herausfordernden oder angespannten bis akut angespannten finanziellen Situation stieg um 5,6 Prozentpunkte auf 24% oder um mehr als 30% im Vergleich zu 2019 (siehe Abbildung unten). Fast ein Viertel der 178 analysierten Schweizer Unternehmen – ausgenommen der Finanz- und Immobiliensektor – befanden sich 2020 in einer schwierigen finanziellen Lage.

Switzerland Restructuring Insolvency
Abbildung: Analyse und Bewertung der Finanz- und Ertragslage von Schweizer Unternehmen in den Jahren 2019 und 2020. Mehr Informationen finden Sie unter «Forschungsmethode» am Ende der Medienmitteilung.

Alessandro Farsaci, Managing Director bei A&M Schweiz, sagt hierzu: «Das Phänomen der verzögerten Konkurse, welches auch als COVID-19-bankruptcy gap bekannt ist bereitet der Schweizer Wirtschaft zunehmend Sorgen. Die während der Pandemie gewährten staatlichen Hilfsmassnahmen haben gewisse Konkurse nicht nachhaltig verhindert, sondern lediglich verzögert. Führungskräfte werden sich nun mit Massnahmen zum der Unternehmen beschäftigen und ihre Unternehmensstrategien an die Erfordernisse einer Welt nach der COVID-19-Pandemie anpassen müssen.»

Auslaufen der staatlichen Finanzhilfe ab Februar 2022 geplant

Eine im Sommer 2020, der Anfangsphase der Pandemie, von Statista durchgeführte Umfrage unter Schweizer Verwaltungsräten hat ergeben, dass weniger als 10% der Schweizer Unternehmen verlustbringende Geschäfte oder Standorte aufgeben wollten. Die Führungskräfte haben erwartet, dass die Pandemie kürzer und weniger schädlich sein würde. In Kombination mit auslaufenden staatlichen Unterstützungsmassnahmen, besteht ein hohes Insolvenzrisiko für Unternehmen die sich an die neuen Marktanforderungen angepasst haben.

Nachfolgend eine Übersicht der ausgelaufenen und noch auslaufenden Massnahmen für Unternehmen:

  • Die staatlichen COVID-19-Kredite endeten am 31. Juli 2020.
  • Die Härtefallprogramme sind in einigen Schweizer Kantonen am Auslaufen und werden voraussichtlich im Dezember 2021 enden.
  • Die verlängerten und vereinfachten Verfahren für Kurzarbeitsentschädigungen, zu welchem im April 2020 zwischen 20 und 25% der Schweizer Arbeitnehmer angemeldet waren, läuft im Februar 2022 aus.
  • Die Amortisationszahlungen für COVID-19-Kredite bis zu 500’000 CHF werden voraussichtlich Anfang 2022 eingeführt.

Herausforderungen für Schweizer Unternehmen im Jahr 2022 und darüber hinaus

Der weitere Verlauf der Schweizer Wirtschaft hängt von den folgenden Entwicklungen ab:

  • Weltwirtschaft: Die Erholung der der Weltwirtschaftslage seit Beginn 2021 hat sich bereits verlangsamt.
  • Angst vor steigender Arbeitslosigkeit: Trotz der niedrigen Arbeitslosenquote in der Schweiz könnte die Angst vor Arbeitslosigkeit zum Rückgang von nicht zwingend notwendigen Konsumausgaben und zur Erhöhung der Ersparnisse führen.
  • Betriebskapital: Mit der gestiegenen Nachfrage hat sich der Bedarf an Betriebskapital erhöht, dies verstärkt den Druck auf die Liquiditätslage der Unternehmen. Jene Unternehmen, die während der Pandemie im Betriebskapital gebundene Mittel freigesetzt haben, sind besonders betroffen.
  • Transformation: Unternehmen werden ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle durch Umstrukturierungen anpassen müssen.
  • Lieferketten: Die hohen Rohstoffpreise und die Unterbrechungen der Lieferketten bringen weitere Unsicherheiten für Schweizer Unternehmen mit sich.
  • Die jüngste Stärkung des Schweizer Frankens ist ein Risiko für die wichtige Exportwirtschaft.

Für alle Stakeholder und Entscheidungsträger, die vor herausfordernden Transformationen, Turnarounds oder Restrukturierungen stehen, ist es von zentraler Bedeutung die möglichen Optionen zu kennen und zu analysieren. Dies sind: Sanierung und Restrukturierung, Unternehmensverkauf oder Betriebsschliessung/Liquidation. Sie müssen zudem sorgfältig evaluieren, wie sie diese Optionen umsetzen können, ohne unverhältnismässige wirtschaftliche Risiken – Wertverluste – für die Stakeholder oder rechtliche Risiken für die Unternehmen und deren Verwaltungsräte und Management einzugehen.

Forschungsmethode

Um den Bedarf an Unternehmensrestrukturierungen und die finanziellen Auswirkungen von COVID-19 zu veranschaulichen, hat A&M die Entwicklung der Finanz- und Ertragslage von Schweizer Unternehmen mit mehr als 100 Mio. CHF Umsatz (ohne Finanzinstitute und Immobiliengesellschaften) in den Geschäftsjahren 2019 und 2020 analysiert.

A&M hat Variablen und Kennzahlen zur Bilanz (finanzielle Robustheit) und zur Erfolgsrechnung (Ertragslage) unter Berücksichtigung der Branchenzugehörigkeit analysiert. Die Bewertung basiert auf mehr als zehn Kennzahlen auf einer Skala von 0 (notleidend/verlustbringend) bis 10 (solide/sehr profitabel). Das Ergebnis (Abbildung 1) ist in einer Matrix mit vier Quadranten dargestellt, wobei jeder Kreis ein Unternehmen repräsentiert (Grösse des Kreises = Umsatzhöhe). Die vier Quadranten können wie folgt interpretiert werden:

  • Quadrant Nr. 1: Unternehmen, die eine grundsätzlich solide Bilanz haben, aber Schwächen in ihrer Ertrags- oder Gewinnsituation aufweisen.
  • Quadrant Nr. 2: Unternehmen, die über eine solide Bilanz und eine robuste Ertragslage verfügen.
  • Quadrant Nr. 3: Unternehmen, die sowohl hinsichtlich ihrer Finanz- als auch ihrer Ertragslage (erhebliche) Defizite aufweisen. Sie haben also eine unzureichende Liquidität und/oder eine unzureichende Kapitalstruktur und gleichzeitig eine schwache/unzureichende Rentabilität. Einige dieser Unternehmen sind daher wahrscheinlich in Schwierigkeiten oder «financial (di-)stress» geraten.
  • Quadrant Nr. 4: Unternehmen mit einer robusten Ertrags-/Gewinnentwicklung, aber unzureichender Liquidität und/oder unzureichender Kapital-/Finanzierungsstruktur.

Vollständige Studie

Wenn Sie die vollständige Studie erhalten möchten, senden Sie bitte eine Anfrage an alvarezmarsal@cpc-pr.com.

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Cabinet Privé de Conseils, Genf

Michael Füglister & David Folley

Tel. +41 022 552 46 46

alvarezmarsal(a)cpc-pr.com

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