April 17, 2020
Drei Fragen an André Kieviet zum Thema resiliente und agile Supply Chains
- Wie kann ich wirklich effizient meine Kunden bedienen und dabei gleichzeitig das richtige Working Capital Management hinbekommen?
In der Lieferkette, unabhängig von besonderen Krisensituationen, wollen Hersteller und Händler, dass die Regale gefüllt sind oder Lieferzeiten für die Produkte dem Marktstandard entsprechen, um die Nachfrage zu erfüllen. Sonst treibt der Wettbewerb das Geschäft. Eine Standardantwort sind noch immer die Bestände in der Lieferkette. Die Kernfrage hierbei ist jedoch, wie Unternehmen Bestände und ein möglichst geringes Working Capital in der Lieferkette ausbalancieren. Effizienz ist hier die Triebfeder. Hierfür gibt es eine Vielzahl an Hebeln, die im Produktdesign beginnen und die über die richtige Beschaffungsstrategie und flexible Produktionstechnologien bis hin zu einem ausgeklügelten, flexiblen und agilen Distributionsnetz führen. Hierbei spielen Themen wie Enhanced Forecasting, Produktmodularisierung, Nearshoring, Additive Fertigung, flexible Automatisierung im Lager und viele andere Ansätze eine bedeutende Rolle. Mit einer in dieser Form agilen und resilienten Lieferkette lassen sich Bestände zum Teil um 60-70% reduzieren, ohne auch nur einen Kundenauftrag zu verlieren.
- Wie sieht denn eine agile und resiliente Supply Chain aus – welche Kriterien muss sie erfüllen?
Eine agile und resiliente Lieferkette zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf externe Einflüsse wie nicht vorhersehbarer Schwankungen der Nachfrage, Lieferanteninsolvenzen, Naturkatastrophen, Terrorismus oder auch Streiks schnell und ohne größeren Schaden anpassen kann. In der Distribution ist beispielsweise das Ziel, die Geschwindigkeit der Supply Chain zu beschleunigen. Je schneller ich auf Kundenbedürfnisse reagieren kann, desto widerstandsfähiger ist meine Lieferkette. Die digitale Vernetzung vom POS bis in die Fabrik, vorausschauende Planung, Produktdifferenzierung am Ende der Lieferkette oder virtuelles Bestandsmanagement sind nur einige der Bausteine hierfür. Die Schwierigkeit der meisten Unternehmen ist es jedoch, hieraus eine Business Case zu generieren. Da eine Beschleunigung und Transparenz in der Lieferkette erstmal vermeintlich mit Kosten verbunden ist, wird dieser Aspekt deswegen meist nur halbherzig betrachtet.
Erst Sondersituationen und Krisen zeigen die vollen Auswirkungen und Kosten fehlender Agilität und Resilienz. Andere Unternehmen wie Amazon dagegen haben es zum Geschäftsmodell gemacht und erhöhen mit der Agilität noch verstärkter den Verfügungsnutzen für ihre Kunden.
Hinzu kommt, dass die technologische Entwicklung in der Automatisierungstechnik, der Digitalisierung und Virtualisierung, in den letzten 10 Jahren immense Fortschritte gemacht hat, sich bislang aber nur wenige Marktstandards etabliert haben. Dies führt zu einer Investitionsunsicherheit für Unternehmen.
- Was bedeuten diese komplexen Veränderungen und Prozesse für Ihre Aufgabe als Berater?
Wir unterstützen Unternehmen dabei, sozusagen zukunftsfest zu werden. Wie soll man sich aufstellen, wenn alles im Fluss ist, wenn man nicht weiß, wie sich Märkte entwickeln, welche Standards und Systeme sich durchsetzen? In welche Technologien ich investieren soll? In vielen Bereichen herrscht Unsicherheit. Die bereits erwähnte hohe Volatilität kommt zu all diesen grundsätzlichen Fragen hinzu. Viele Branchen sind unter einem so hohen Kostendruck, dass sie ihre Supply-Chain sehr auf den Faktor Kosten und Effizienz ausrichten statt auf Effektivität. Das Thema Flexibilität und die Fähigkeit, sich ändernden Kundenanforderungen anzupassen, ist hierbei häufig nicht ausbalanciert. Dieser Balanceakt führt zwangsläufig zu Kompromissen, die vielen Unternehmen nicht ideal vorkommen. Im Grunde sind die Herausforderungen für alle Unternehmen ähnlich, aber es gibt immer branchenspezifische Aspekte, die wir als Berater einfließen lassen müssen. Es muss flexibel gedacht werden - was ist man bereit an Flexibilität und Agilität zuzulassen und wieviel darf es kosten? Häufig wird hier auf der Entscheidungsebene gezögert, aber es ist häufig besser eine 80% Lösung zu haben, als gar keine Lösung. Und bei dieser Lösungsfindung und deren Realisierung können wir mit einem neutralen und umsetzungsorientieren Expertenblick unterstützen.