May 4, 2021

Container Shipping im Aufschwung: Reedereien müssen jetzt handeln, um zukunftsfähig zu bleiben

Auf dem Weg zu Überkapazitäten: Wiederholen die Reedereien ihre Fehler der Vergangenheit?

Reedereien befinden sich gerade in einer durch COVID-19 beschleunigten Goldgräberstimmung. Die operativen Ergebnisse der großen Reedereien im Jahr 2020 stiegen trotz reduzierter Transportmengen stark an. So konnte der Branchenprimus, die dänische A. P. Møller-Mærsk, ihr EBITDA um 44% verbessern, aber auch die deutsche Hapag Lloyd steigerte ihr EBITDA um 35%.

Wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg der Reedereien sind die erhöhten Containerfrachtraten, die sich auf den Haupthandelsrouten zum Teil verachtfacht haben. Ein 40-Fuß-Container von Shanghai nach Rotterdam kostete im April 2020 noch etwa 1.500 USD – ein Jahr später bereits 5.000 USD. Kostentreiber ist hier vor allem die Verknappung der Transportkapazitäten, verursacht durch die Corona-bedingte Verlangsamung der Hafenumschlagsaktivitäten und die verstärkte Entkopplung der Weltwirtschaft. China hat die Wirtschaftsaktivitäten als einer der ersten Staaten der Welt wieder hochgefahren und erlebte zudem eine Sonderkonjunktur durch den erhöhten Bedarf an medizinische Produkten und Elektronik. Das Ungleichgewicht des Welthandels zusammen mit dem langsamen Containerumschlag führte zu einer Containerknappheit und dem Ausfall von Schiffsverkehr. Die Blockade des Suezkanals hat diese Situation noch einmal deutlich verschärft. Diese Problematik wird das dritte Quartal 2021 weiterhin bestimmen, aber sich vermutlich in den Folgemonaten normalisieren. Zudem wird eine zunehmende Verlagerung von Wertschöpfungsketten den Druck auf die Seefrachtraten mittelfristig wieder erhöhen.

Der kurzfristige Aufschwung der Reedereien

Dieser temporäre Aufschwung führt momentan zu einer regelrechten Goldgräberstimmung. Fast täglich verkünden Reedereien die Bestellung von neuen Containerschiffen. Ocean Network Express (ONE) gab vor Kurzem den Auftrag von sechs Ultra Large Container Ships (ULCS) bekannt. Hapag Lloyd kaufte ebenfalls sechs ULCS. Mit einer Kapazität von über 24.000 TEUs werden die neuen Schiffe des ONE-Netzwerks den Weltrekord des größten Schiffes brechen. Auch Hapag Llyods ULCS sind mit der Kapazität von jeweils 23.500 TEUs nicht weniger beeindruckend. Diese Kapazitäten kommen jedoch frühestens 2023 auf den Markt und werden die derzeitig am Markt fehlenden Transportkapazitäten nicht decken können. Es ist zudem vollkommen unklar, wie diese Schiffe zum Einsatz kommen sollen. Denn das aktuelle Containerschifffahrtsvolumen ist auf 2-3% Wachstum pro Jahr eher als moderat zu bezeichnen.

Auf den Weg zu Überkapazitäten – wiederholen sich die Entwicklungen von 2008?

Derzeitig liegen Bestellungen für neue Schiffe mit einer Gesamtkapazität von rund 3,6 Millionen TEU vor, was in etwa 15,3% der derzeit aktiven Bestandflotte entspricht. Das Verhältnis von Neubestellungen zu bestehender Flotte erscheint im Vergleich zu den 60% des Jahres 2008 noch sehr gering. Allerdings werden diese Kapazitäten nur bei immensem Wachstum der Transportmengen voll ausgelastet zu sein. Bei einer idealen wirtschaftlichen Lebensdauer von 25-30 Jahren könnten 3-4% der Neubauten als Ersatzinvestition gesehen werden, die restliche Kapazität muss durch Wachstum ausgelastet werden. Wenn dies nicht gelingt, werden Reedereien durch den Preisverfall als Folge von Überkapazitäten hohe Verluste einfahren. Darauf folgt mittelfristig die Kapazitätsstillegung. Das wird die wirtschaftliche Lebensdauer eines Schiffes deutlich reduzieren. Beides wirkt sich negativ auf die Schiffsfinanzierung aus, die gerade zu einem neuen Höhenflug ansetzt.

Reedereien müssen sofort handeln

Reeder müssen sich jetzt richtig aufstellen, um auch in Zukunft erfolgreich zu bleiben. Dabei sollten sie die folgenden vier Aktivitäten intensivieren:

  • Den Orderverlauf des Wettbewerbs kontinuierlich monitoren
  • Den Lebenszyklus der gesamten Flotte optimieren und auf Basis eines Gesamtkostenansatzes Teile der Flotte stilllegen und den Anlauf neuer Schiffe passgenau planen
  • Die wesentlichen Treiber des Welthandels und die Routenplanung des Wettbewerbs kontinuierlich monitoren, analysieren und die Routenplanung entsprechend dynamisch anpassen
  • Kostenstrukturen auf den Prüfstand stellen, um sich für einen möglichen Abschwung zu wappnen

Um diese Aktivitäten erfolgreich umzusetzen, wird es immer wichtiger für Reedereien ihre Datenerhebung und Analysefähigkeiten weiter auszubauen. Nur so können sie ihre gesamte Organisation sowie operative Planung agiler aufstellen, und damit zukunftsfähig bleiben.

Fazit

  • Reedereien befinden sich gerade in einer Goldgräberstimmung
  • Neu geschaffene Frachtkapazitäten können nur mit enormem Wachstum ausgelastet werden
  • Reeder müssen durch Datenerhebung und deren Analyse agiler und somit zukunftsfähiger werden

Bio

Dr. André Kieviet ist Senior Director bei Alvarez & Marsal und verfügt über mehr als 20 Jahre Management- und Beratungserfahrung in der Automobil-, Logistik- und Schifffahrtsbranche. Sein Fokus liegt auf der Leistungssteigerung von Private-Equity-Kunden mit besonderem Augenmerk auf den Bereichen: Lieferketten, Fertigung, Beschaffung, Betriebsverbesserung und Transformation.

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Alvarez & Marsal (A&M) zeigt aktuelle Entwicklungen für 2021 auf. Das Vorjahr hat aufgrund von COVID-19 viele Veränderungen gebracht, doch was für Trends sehen wir in den nächsten Monaten? Unsere Expertinnen und Experten bieten in dieser Artikel-Serie einen Überblick über die Herausforderungen und Chancen für die Wirtschaft. Krisen-bedingte Restrukturierungen, der Wiederanlauf des M&A-Marktes oder der steigende Druck auf Unternehmen, sich zu transformieren, sind nur einige Themen, die wir in dieser Serie behandeln.
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