November 3, 2025

Vom Rechnen zum Machen

Warum in der neuen Logik der Private-Equity-Wertschöpfung die operative Umsetzung in den Vordergrund rückt und Unternehmertum wieder Priorität hat

Es gibt Momente, in denen sich eine Branche leise, aber grundlegend neu erfindet. Die Private-Equity-Welt erlebt gerade genau das. Nach Jahrzehnten des Höhenflugs – billiges Geld, steigende Multiples, schnelle Exits – wirken die Rahmenbedingungen etwas ernüchternder. Wertschöpfung lässt sich nicht mehr herbeirechnen, sondern muss wieder erarbeitet werden, gerade in Zeit hoher Volatilität in den Wirtschaftsmärkten und geopolitischer Unsicherheit.
Wir bei Alvarez & Marsal haben in unserer jüngsten Value-Creation-Studie die Märkte in Europa, den USA und Australien verglichen und dabei analysiert, wie sich diese Logik weltweit verändert: über die finanzielle Hebelwirkung hinaus hin zur operativen Umsetzung und Unternehmertum, um Chancen wahrzunehmen. Und wer die Ergebnisse mit deutscher Brille liest, erkennt schnell, dass dies keine Modeerscheinung ist. Hier sind unsere wesentlichen Erkenntnisse.


1. Wert entsteht wieder im Maschinenraum


Private Equity setzte historisch stark auf finanzielle Hebelwirkung: günstig kaufen, teuer verkaufen, an der Differenz verdienen. Doch steigende Zinsen, globale Unsicherheit und sinkende Margen stärken Zweifel an dieser Mechanik. Die neue Erfolgsformel lautet: Transformation statt Optimierung.
PE-Fonds investieren nicht mehr in isolierte Effizienzprogramme, sondern in ganzheitliche, unternehmensweite Veränderungsprozesse – in Pricing, Produktion, Lieferketten, Organisation. Wertschöpfung wird wieder konkret messbar im operativen Geschäft. Und genau hier liegt der deutsche Vorteil: Unser Mittelstand war nie der Schnellste im Wachstum, aber oft der Beste im Machen.
Was die Studie beschreibt, ist im Kern die Wiederentdeckung einer Tugend, die Deutschland seit Kriegsende prägt: Wert entsteht nicht in mathematischen Modellen, sondern in der Werkhalle. Durch talentierte Mitarbeiter, Erfindertum und Kaufleute, die Marktchancen systematisch und mit Ausdauer verfolgen

2. Der Mittelstand als Prüfstein


Gerade der hiesige Mittelstand steht vor fundamentalen Herausforderungen. Viele Unternehmen wurden in den Niedrigzinsjahren mit hohen Bewertungen und teils hohem Anteil an Fremdkapital gekauft, heute kämpfen sie mit gestiegenen Finanzierungskosten, Fachkräftemangel und stagnierenden Märkten oder mit geänderten regulatorischen Rahmenbedingungen
Die A&M-Studie spricht von einem „Berg alternder, unverkaufter Beteiligungen“; das ist ein globales Phänomen der Private Equity Branche. Auf Deutschland angewendet, steckt dahinter eine unbequeme Wahrheit: Viele hiesige Portfoliounternehmen sind grundsolide, haben aber Transformationsbedarf bei Tempo und Skalierung und kämpfen gleichzeitig mit hohen Schulden. Die gute Nachricht: In einem Umfeld, in dem Private Equity  nicht mehr allein von billigem Geld und Multiplearbitrage lebt, sondern vor allem von der operativen Leistungskraft seiner Beteiligungen, haben schnelle und nachhaltige operative Umsetzung, Investition in neue Produktionsanlagen und Forschung & Entwicklung  wieder Zukunft.

3. KI als Katalysator, nicht als Ersatz


Künstliche Intelligenz wird zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Wertschöpfung. In den USA setzen bereits fast die Hälfte der Fonds KI in der Post-Akquisitionsphase ein – zur Preisoptimierung, Vertriebssteuerung, Prozessanalyse. Deutschland steht hier zwischen Skepsis und Potenzial und wird nicht zuletzt durch regulatorische Rahmenbedingungen (EU AI Act) eingeschränkt. Die Technologie ist vorhanden, die Daten oft ebenfalls – was häufig fehlt, ist die konsequente Umsetzung im Tagesgeschäft.
Dabei geht es nicht darum, die menschliche Erfahrung zu ersetzen, sondern sie zu beschleunigen: KI ist kein Feind der Ingenieurskunst, sie ist ihr Verstärker. Wer das versteht und nutzt, kann die berühmte deutsche Präzision in Echtzeit skalieren.

4. Vom PowerPoint zur Praxis


Die Studie unterstreicht die wachsende Bedeutung von Operating Partnern und erfahrenen Praktikern wie die Experten von A&M, die Veränderung vor Ort umsetzen, statt sie auf Folien zu zeichnen. 
Das ist ein kultureller Paradigmenwechsel: Strategiepapiere verlieren ihren Zauber. Jetzt zählen Ergebnisgeschwindigkeit, Umsetzungsqualität und greifbare Wirkung.
In Deutschland, wo Management oft stark auf Konsens und Prozess fokussiert ist, ist das eine Herausforderung – aber auch eine Chance. Denn das neue Private-Equity-Modell verlangt keine großen Worte, sondern kleine Fortschritte in hoher Frequenz. Oder, um es in A&M-Sprache zu sagen: Leadership. Action. Results.

5. Wachstum aus eigener Kraft


Weil Refinanzierungen schwieriger und Exits seltener werden, rückt ein klassisch deutsches Prinzip wieder ins Zentrum: Eigenfinanzierung durch operative Exzellenz. Viele Fonds nutzen Working-Capital-Programme, um Liquidität aus dem laufenden Geschäft zu gewinnen und in die Transformation zu reinvestieren. Das ist schwäbische Sparsamkeit – oder, ökonomisch gesprochen: Ein Reset aus dem Cashflow heraus, denn Zinsen müssen für die eigene Disziplin nicht aufgewendet werden.

Fazit: Die Renaissance des deutschen Pragmatismus
Die internationale Private-Equity-Branche bewegt sich in Richtung einer Haltung, die in Deutschland nie verloren war – nur vergessen. Sie glaubt wieder an operative Exzellenz statt an finanzielle Hebel, an Umsetzung statt Ankündigung, an Substanz statt Storytelling. In einer Welt, in der Kapital teurer und Komplexität größer wird, ist das eine interessante Zeitenwende: Ausgerechnet die alten deutschen Kaufmannseigenschaften – Unternehmertum, Erfindungsreichtum und operatives Geschick – sind in Kombination mit Künstlicher Intelligenz wieder die wesentlichen Werkzeuge der Wertschöpfung. 
 



 

 

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